Friedrich Nietzsche trifft 1869 zum ersten Mal auf Cosima, zu dieser Zeit noch von Bülow, die künftige Ehefrau Richard Wagners. Knapp 20 Jahre später, am 3. Januar 1889, bricht Nietzsche in Turin auf der Straße zusammen und lebt bis zu seinem Tod 1900 in geistiger Umnachtung. Kurz vor seinem Kollaps schreibt er unter anderem an Cosima mehrere Briefe, die in ihrer inhaltlichen Disparatheit bereits auf einen schweren dissoziativen Zustand deuten und heute als „Wahnsinnszettel“ bekannt sind. Diese Nachrichten bilden nicht nur das Schlusswort zur schwierigen Beziehung Nietzsches zu Richard Wagner, die zwischen „Sternen-Freundschaft“ und Erdenfeindschaft oszilliert, und dem komplexen Verhältnis zu der von ihm verehrten Cosima, sondern gehören auch zu seinen letzten schriftlichen Zeugnissen überhaupt. In seiner kurz zuvor vollendeten autobiographischen Schrift Ecce homo verklärt Nietzsche zu „Ariadne“, der Frau, die Theseus (Hans von Bülow) für Dionysos (Richard Wagner) verlassen hat, nachdem sich dieser vom „göttlichen Hanswurst“ in Der Fall Wagner zum Minotaurus gewandelt habe. Er, Nietzsche, aber komme nun als der wahre Dionysos zur „Prinzeß Ariadne, meine Geliebte“ – so die Anrede auf einem der Zettel – nachdem er vorher „vielleicht auch Richard Wagner“ gewesen ist. Eine vergleichbare Aussage in Ecce homo streicht Nietzsche aber ersetzt sie durch den Satz, der nicht nur seine Gefühle für Cosima verschleiert, sondern gleichsam das Motto für die letzte Dekade seines Lebens bildet: „Der Rest ist Schweigen“.