In dem kleinen, aufwändig gearbeiteten Notizbuch zeugen disparate Aufzeichnungen auf nur zehn Seiten vom ersten, oft entbehrungsreichen Aufenthalt Richard Wagners in Paris zwischen 1839 und 1842. Das Büchlein enthält Adressen in London und Paris, so die von Heinrich Heine, und Namen von Personen, die er wohl besuchen wollte, wie die seiner beiden damals engsten Freunde Ernst Benedikt Kietz, der Wagners Porträt zeichnete, und Samuel Lehrs, des Philologen, der ihn zur Beschäftigung mit mittelhochdeutscher Dichtung ermutigte. Ein Ergebnis dieser Beschäftigung findet sich auf Seite 5: der Entwurf des dritten Akts einer Oper mit dem Titel Die Sarazenin. Bis 1843 vollendet Wagner dazu einen Prosaentwurf, eine Komposition wird er jedoch nie beginnen. In Die Sarazenin setzt sich Wagner mit der Geschichte der Staufer auseinander, vor allem mit Kaiser Friedrich II. und seinem Sohn Manfred. Das Werk, in vielerlei Hinsicht Goethes West-östlichem Diwan verwandt, lässt den Einfluss der liberal gesinnten Literaten des ‘Jungen Deutschland‘ zu dieser Zeit auf Wagner erkennen. So erscheint das Friedensreich Friedrichs II., das im Text beschworen wird, als mittelalterliche Entsprechung der „Universalrepublik“ Heinrich Laubes. Diesem Utopia, das nationale Schranken überwindet, hat der Autor zu jener Zeit zwar bereits abgeschworen, für seinen engen Freund Richard Wagner ist es jedoch immer noch Teil des kosmopolitischen „Weltdeutschtums“, wie Thomas Mann es nannte, das den Kern von Wagners Werk bildet, bevor nationalchauvinistische Vorurteile dort Einzug halten.